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Offizielle Stellungnahme zur aktuellen humanitären Lage in der Region Kurdistan

Offizielle Stellungnahme zur aktuellen humanitären Lage in der Region Kurdistan

Ohne eine signifikante Steigerung der monetären Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft sowie der finanziellen Transfers von der Irakischen Regierung wird die Region Kurdistan nicht in der Lage sein, die humanitäre Krise einzudämmen.

Die Politik der Regionalregierung Kurdistan ist seit Beginn der Krise inklusiv und willkommen heißend, wobei keinerlei Diskriminierung aufgrund religiöser, kultureller, ethnischer oder politischer Identität erfolgt. Wir erkennen die zentrale Bedeutung an, jenen zu helfen, welche vor Gewalt und Unruhen aus anderen Teilen des Irak fliehen, um Frieden in diesem konfliktreichen Gebiet widerherzustellen und zu wahren.

Die Region Kurdistan als sicherer Hafen
Zwischen 2003 und 2013 hat die Region Kurdistan ihre Türen für mehr als 600.000 binnenvertriebene Iraker geöffnet. Die Regierung und die Menschen der Region Kurdistan verstehen, dass nachhaltiger Frieden und Entwicklung nicht verwirklicht werden können, wenn manche Mitglieder einer Gesellschaft marginalisiert werden. Dementsprechend verfechten wir Inklusivität, indem wir sicherstellen, dass diesen neuen Mitgliedern der Gemeinschaft die gleichen Rechte, der gleiche Schutz und der gleiche Zugang zu öffentlichen Leistungen gewährt werden.
Der Bürgerkrieg in Syrien hat mittlerweile die größte Vertreibung der Welt verursacht. Eine erhebliche Anzahl an Syrern, welche vor Gewalt geflohen sind, haben Sicherheit und Unterschlupf in der Region Kurdistan gefunden. Die plötzliche Eskalation der Gewalt bei der brutalen Invasion des Islamischen Staates im Jahr 2014 hat zur Vertreibung von drei Millionen Irakern geführt. Die Lage hat sich schnell zu einer humanitären Krise der dritten Stufe entwickelt. Durch die Bereitstellung von Sicherheit und Unterschlupf ist die Region Kurdistan einmal mehr ein sicherer Hafen für mehr als die Hälfte der vertriebenen Bevölkerung geworden, und wir haben fortwährend unsere Grenzen offen gehalten.
Am heutigen Tage bietet die Region Kurdistan Sicherheit, Schutz und öffentliche Leistungen für 280.000 syrische Flüchtlinge und für bis zu 1,5 Millionen Binnenvertriebene. Im Jahr 2014 kamen jeden Monat durchschnittlich 80.000 Binnenvertriebene in die Region Kurdistan. Diese Zahlen beinhalten nicht die Vertriebenen, welche von der KRG in Nachbarprovinzen versorgt werden. Die zahlreichen Wellen der Vertreibung haben dazu geführt, dass die Bevölkerung der Region Kurdistan um fast 30 Prozent gewachsen ist, was eine immense Belastung für die bestehenden Ressourcen und Leistungen darstellt. Die Weltbank und das Planungsministerium haben errechnet, dass die Stabilisierungskosten für die Widerherstellung Vorkrisenniveaus bei $1,4 Milliarden liegen. Während die Natur der Krise unsere Möglichkeiten einschränkt, genaue Vertreibungszahlen zu ermitteln, ist die Zahl dennoch signifikant genug um eine akute Notlage auszurufen.

Die Eindämmung einer erweiterten Krise der Stufe drei
Die Regierung des Irak hat verfassungswidrig den Anteil der KRG am jährlichen Budget von 17% seit 17 Monaten einbehalten. Dies hat die Fähigkeit der KRG stark beeinträchtigt, öffentliche Leistungen für die Bevölkerung sowie eine grundlegende Versorgung der Binnenvertriebenen bereitzustellen. Konfrontiert mit einer Reduktion finanzieller Transfers von 90%, der Flüchtlingskrise sowie dem Krieg gegen IS, ist es der KRG nicht möglich das Niveau an Versorgung und Flüchtlingsaufnahme aufrechtzuerhalten, ohne die Sicherheit und das Wohlergehen der Bevölkerung sowie die Stabilität der Region aufs Spiel zu setzen. Während die anfänglichen Konsequenzen bereits deutlich sichtbar sind, entfaltet sich die volle Wirkung nach wie vor aufgrund der Natur und des Ausmaßes des Konfliktes.

Notfall und Vorbereitung
Die KRG hatte seit Anbeginn der Krise Schwierigkeiten, die Probleme einzudämmen und die Grundbedürfnisse der Betroffenen mit Hilfe von UN-Agenturen sowie nationalen und internationalen NGOs zu erfüllen. Trotzdem wurde die schwerste Last von den aufnehmenden Gemeinden getragen, in denen sich der Lebensstandard, der Zugriff auf Leistungen und die generelle Aussicht auf Besserung über die letzten Jahre drastisch verschlechtert haben. Leider blieb eine Antwort der Regierung des Irak auf die Flüchtlingskrise in der Region Kurdistan, trotz der verfassungsmäßigen Pflicht der irakischen Regierung ihren vertriebenen Bürgern gegenüber, weitestgehend aus.
In einer der kompliziertesten humanitären Krisen der Welt stellen sich die KRG und ihre humanitären Partner vor Ort der Herausforderung, den sich ausweitenden Bedürfnissen einer auf lange Zeit vertriebenen Bevölkerung zu entsprechen und gleichzeitig auch auf neue Notfälle und Zuzüge zu reagieren. Die militärischen Einsätze und darauffolgenden Vertreibungen in Anbar haben einen Einblick in die wahrscheinlichen Folgen einer zu erwartenden Befreiung Mosuls erlaubt. Im schlimmsten Fall würden eine Millionen Menschen vertrieben werden. Basierend auf den Erfahrungen, die aus den vorangegangenen Vertreibungen gewonnen werden konnten, der geographischen Nähe, der stabilen Sicherheitslage in der Region Kurdistan und den eingeschränkten Zugangsbestimmungen anderer irakischer Provinzen, wird der größte Teil der neuen Binnenvertriebenen mit höchster Wahrscheinlichkeit in der Region Kurdistan Zuflucht suchen.

Einen regionalen Kollaps verhindern
Die Region Kurdistan ist unter dem ausgeweiteten Notfall der Stufe drei am Rande eines Zusammenbruchs. Im Laufe der vergangenen Jahre blieben die Flüchtlings- und Binnenvertriebenenprogramme chronisch unterfinanziert. Zum Zeitpunkt seiner Beendigung hatte der „Strategic Response Plan“ 26% seiner Finanzierung erhalten, während die entsprechenden Vergleichszahlen der „Refugee Response“ bei alarmierenden 19% stehen. Zusätzlich zu dieser problematischen Finanzierungslage hielt die irakische Regierung nicht nur Hilfe sondern auch den Anteil des Bundesbudgets für die KRG zurück. Es ist die bedauernswerte Schlussfolgerung der KRG, dass die Region ohne eine deutliche Erhöhung der Finanzleistungen durch die internationale Gemeinschaft und ohne finanzielle Transaktionen der irakischen Regierung weder die derzeitige Krise, noch die zu erwartenden zukünftigen Vertreibungen bewältigen können wird. Während humanitäre Partner Notfallpläne erstellen, ist es von höchster Bedeutung zu verstehen, dass die Region Kurdistan ihre Reaktions- und Aufnahmefähigkeit erschöpft hat und dass ein Totalzusammenbruch droht. Die KRG bleibt ihren humanitären Verantwortungen gegenüber treu und wird auch weiterhin dem Leid der Frauen, Kinder und Männer in Not eine Stimme geben. Wir rufen die internationale Gemeinschaft und die Regierung des Irak dazu auf, der Region mit den notwendigen Ressourcen und der technischen Unterstützung zu helfen, um auch weiterhin einen sicheren Hafen für Bedürftige garantieren zu können.